Die für das SOX entstandene Installation von Frank Nitsche ist, wenn man so will, ein dreidimensionales Sammelalbum. Aufkleber als Fundstücke ausgedehnter Reisen bedecken in weitestem Sinne Verbauchsmaterial seiner Malerei – Getränkedosen, Kanister und anderes Verpackungsmaterial aus der Studioproduktion. Kunst ist eine Industrie. Die Industrie erzeugt Reste, die normalerweise am Hinterausgang des Studios entsorgt werden. Nitsche aber praktiziert Recycling in seinem ganzen Werk. Seine Malerei ist voll von Zeichen, Symbolen, Formen, die er in Medien und Popkultur findet, sammelt, enzyklopädisch in Alben ordnet und in die malerische Formgebung einfließen lässt. Unfallbilder und Wissenschaftsillustrationen werden da abstrahiert und montiert. Vom Comic bis zur medizinischen Deformation kann alles Material werden und gerinnt am Ende in Bildern zu einer autonomen Analyse der Formen. Wenn auf diese Weise jeder Aufkleber aus Kairo, jeder Sticker aus der texanischen Provinz zur Vorlage einer ständig in Betrieb befindlichen Malereimaschinerie werden kann, ist das Schaufenster des SOX nun Archivdisplay und öffentliches Album. Es ist aber auch eine öffentliche Installation, in der das Gefundene an die Öffentlichkeit zurückerstattet wird. Konkurrierend, klein, überschaubar und unbeirrt hängt zu seiner Seite, kneipenspießig beleuchtet, eine Leinwand. Das Tafelbild sichert sich sein Refugium. Eingenischt ins Chaos ist die Malerei auch eine Verheißung. Sie steht quer zum universalen Fließen der Zeichen und hält die Bewegung an. Der Raum für autonome Gesten ist begrenzt. Schrumpft er? War er immer eine Nische? Muss man ihn einfach nur wahrnehmen? Sollten wir Malerei gleichmütig als alternative Wahrnehmungsform akzeptieren? Am Ende ist es das, worum es geht. Nitsche entscheidet die Fragen nicht, er stellt sie lakonisch belustigt fest und zur Schau.
Gerrit Gohlke